Deutscher Mittelstand differenziert sich aus
Die Bedeutung des Mittelstandes geht über die einer wirtschaftspolitisch folgenden und sich eher anpassenden Teilgruppe des Unternehmertums hinaus. Der Mittelstand ist maßgeblicher Strukturgeber und gestaltet die Wirtschaftslandschaft und den Wandel Deutschlands aktiv mit; allerdings in immer breitgefächerteren Formen, die sich den Mitteln empirischer Operationalisierung in Gegensatzpaaren wie „unabhängig vs. abhängig“ mehr und mehr entziehen. Der deutsche Mittelstand wird immer schwieriger zu identifizieren – so das Ergebnis der beiden Studien „Mittelstand im Wandel“ und „Mittelstand zwischen Fakten und Gefühl“ des Institutes für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn.
Vor allem der Anteil und auch die Anzahl von Kleinstunternehmen steigt in den letzten 20 Jahren bedingt durch wirtschaftlichen Strukturwandel und rasante technologische Entwicklung mit einer zunehmenden Zahl von Solo-Selbstständigen, die als Unternehmer ihrer eigenen Arbeitskraft agieren. Aber auch die häufig nicht zum Mittelstand hinzugezählten Großunternehmen, welche beispielsweise über Generationen aus Familienunternehmen mit Tradition- und Wertebindung an die Firma entstanden sind, entwickeln sich vor allem internationaler und größer. Rund ein Drittel aller deutschen Großunternehmen zählt aktuell zum Mittelstand. Diese zwei augenscheinlich gegenläufigen Tendenzen von Individualisierung bei Kleinstunternehmen und Globalisierung bei Großunternehmen bilden passend ab, wie breit aufgestellt das Spektrum des deutschen Mittelstandes sich präsentiert und wie sehr sich die Marktbedingungen und Wirtschaftsstrukturen hin zu mehr Heterogenität, Diversität und Turbulenz entwickeln. Dieser Trend wird in den IfM Studien in dem Terminus „Entrepreneurial Economy“ gebündelt und grenzt sich von althergebrachten und durch Stabilität, Spezialisierung und Homogenität gekennzeichneten „managergeführte Wirtschaft“ ab.
Entscheidend für die Klassifizierung sind jedoch nicht nur qualitative Maßstäbe wie Geschäftsführung, Eigentumsverhältnisse, wirtschaftliche Unabhängigkeit und somit die Einheit aus Eigentum und Führungsstrukturen, sondern auch quantitative Maßstäbe der Größenordnung von Betrieben sowie die Selbsteinschätzung von Unternehmern. Im Ergebnis stehen folgende Tendenzen: Je größer und älter ein Unternehmen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Einschätzung zu Gunsten des Mittelstandes ausfällt. 91% der befragten Großunternehmen zählten sich dazu, auch wenn sie definitorisch nach qualitativen oder quantitativen Maßstäben nicht mit eingerechnet würden. Auf der anderen Seite ergibt sich die Tendenz, je kleiner und jünger ein Unternehmen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Selbstwahrnehmung in Richtung Mittelstand ausfällt. Nur 41% der befragten Kleinunternehmen definierten sich selbst als zum Mittelstand gehörig.
Immer häufiger werdende Arbeitsformen wie Freelance, Subunternehmen oder auch Netzwerkkooperationen werden durch niedrige Markteintrittsbarrieren und technologische Entwicklung begünstigt und verweisen auf die voranschreitende Ausdifferenzierung des Mittelstandes, dessen Wirkungen als Stabilisator der deutschen Wirtschaft nicht unterschätzt werden sollte. Die Vielfalt an wirtschaftlich handelnden Wirtschaftsakteuren mit seinen fließenden und unschärfer werdenden Unternehmergrenzen macht die Identifizierung eines klar abgrenzbaren und messbaren Mittelstandes jedoch immer schwieriger.
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