Zum Jahresabschluss möchten wir auf dieses Thema hinweisen. Gerade für Existenzgründer, die auf den Führerschein angewiesen sind, um zum Beispiel zu Kunden zu fahren, ist der Führerscheinverlust existenzgefährdend. Vor allem jetzt in der stressigen Vorweihnachtszeit kann eine derartige Ablenkung auch zu Unfällen führen. Wir haben den Rechtsexperten Michael Winter gebeten, das Thema Handynutzung während der Autofahrt genauer unter die Lupe zu nehmen.
Der Gesetzgeber hat sich endlich dazu entschieden, den nicht mehr in die aktuelle Zeit gehörenden Paragraphen 23 der Straßenverkehrsordnung anzupassen. Was daraus geworden ist, möchte ich kurz darstellen.
Es lässt sich im Hinblick darauf, dass mir noch keine Gerichtsentscheidungen zum seit einigen Wochen gültigen Gesetzestext vorliegen, leider nicht vermeiden, Teile dieser juristischen Formulierungen zu zitieren. Aktuell lautet der Paragraph 23 1a-c) StVO wie folgt:
(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn
1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und
2. entweder
a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
Geräte im Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder. Handelt es sich bei dem Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, um ein auf dem Kopf getragenes visuelles Ausgabegerät, insbesondere eine Videobrille, darf dieses nicht benutzt werden. Verfügt das Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, über eine Sichtfeldprojektion, darf diese für fahrzeugbezogene, verkehrszeichenbezogene, fahrtbezogene oder fahrtbegleitende Informationen benutzt werden.
Absatz 1c und § 1b des Straßenverkehrsgesetzes bleiben unberührt.
(1b) Absatz 1a Satz 1 bis 3 gilt nicht für:
1. ein stehendes Fahrzeug, im Falle eines Kraftfahrzeuges vorbehaltlich der Nummer 3 nur, wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist,
2. den bestimmungsgemäßen Betrieb einer atemalkoholgesteuerten Wegfahrsperre, soweit ein für den Betrieb bestimmtes Handteil aufgenommen und gehalten werden muss,
3. stehende Straßenbahnen oder Linienbusse an Haltestellen (Zeichen 224).
Das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors im Verbrennungsbetrieb oder das Ruhen des elektrischen Antriebes ist kein Ausschalten des Motors in diesem Sinne.
Absatz 1a Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b gilt nicht für:
1. die Benutzung eines Bildschirms oder einer Sichtfeldprojektion zur Bewältigung der Fahraufgabe des Rückwärtsfahrens oder Einparkens, soweit das Fahrzeug nur mit Schrittgeschwindigkeit bewegt wird, oder
2.die Benutzung elektronischer Geräte, die vorgeschriebene Spiegel ersetzen oder ergänzen.
(1c) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören.
Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte).
Respekt vor diesem “Juristischen Monstrum” – meines Erachtens hätte man jedoch mit „Klasse statt Masse“ weit mehr erreicht. Weniger Sätze und präzise Formulierungen wären weit zielführender gewesen. OK, der Gesetzgeber sah sich vor die Frage gestellt, ob er jegliche Benutzung eines technischen Geräts während der Fahrt verbieten oder „mit der Zeit gehen solle“. Es ist durchaus zu begrüßen, dass man sich für den zweiten Weg entschied, jedoch glückte meines Erachtens die Umsetzung nicht.
Aus der dem Bundesrat vorgelegten Verordnung (Drucksache 424/17) ist zu entnehmen, dass man die Straßenverkehrsordnung “im Sinne einer technik-offenen Formulierung anpassen wollte“.
Hinsichtlich des Satzes: “… zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist …” ging die Sache schlichtweg in die Hose.
Ich sehe schon jetzt zahlreiche Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren am Horizont – gleichfalls unzählige zivilgerichtliche Verfahren, die sich im Rahmen von Ansprüchen nach einem Verkehrsunfall damit befassen, wer in welcher Art und Weise durch welche „Zuwendung“ wohin und wie lange gegen die neue Norm verstieß und welche Haftungsquote im Rahmen von Forderungen gegenüber einem gegnerischen Haftpflichtversicherer oder dem eigenen Vollkaskoversicherer zugrunde zu legen sind.
Wendet man das, was dem Bundesrat passierte, konsequent an, ist das Eintippen einer Navi-Adresse auf einem sensitiven Bildschirm nur noch wie folgt möglich:
1) Kurzes Tippen eines Buchstabens
2) Blickzuwendung zur Straße
3) Kurzes Tippen des zweiten Buchstabens
4) Blickzuwendung zur Straße
5) Kurzes Tippen des dritten Buchstabens
6) Blickzuwendung zur Straße
… to be continued …
Bis ich ein in der Nähe gelegenes Ziel auf diese Art und Weise ordnungsgemäß eingegeben habe, bin ich bereits angekommen.
Das Suchen von Musiktiteln kann man sich (außer man hat anhand des obigen Schemas auf einer langen Reise sehr viel Zeit) ebenfalls schenken – das Eintippen einer Telefonnummer wird ab jetzt gegebenenfalls mehr Zeit in Anspruch nehmen als das Gespräch selbst.
Die Annahme eines Telefonats über ein integriertes Mobiltelefon oder durch Drücken einer Taste oder Berühren eines Symbols auf einem Bildschirm dürfte gerade noch durchgehen – gleichfalls das Beenden eines Gesprächs in solcher Form.
Das mögliche Lesen von E-Mails oder SMS (in modernen Fahrzeugen werden diese auf dem Bildschirm dargestellt) ist nach neuem Recht jedoch wohl verboten.
Der Gesetzgeber hat hierbei nicht bedacht, dass, so man sich in langsamem Tempo innerhalb stockenden Verkehrs bewegt oder in einem massiven Stau steht, die von zahlreichen Automobilherstellern angebotene Möglichkeit, nahezu autonom zu fahren, existiert und auch genutzt wird. Wer immer über diese Technik verfügt, sollte dennoch seinen Blick auf der Straße lassen oder die ersten Urteile zu diesem Thema abwarten.
An der Ampel ein Handy in die Hand zu nehmen, während das Fahrzeug steht und der Motor über die integrierte Start-/Stopp-Automatik abgeschaltet wurde, ist Vergangenheit. Der Gesetzgeber hat diese kraftstoffsparende Funktion nicht als ein Abschalten des Motors im technischen Sinne angesehen – ich bin jetzt schon gespannt, was den Verkehr beobachtende Polizisten einwenden werden, wenn jemand (mag er auch über das vorgenannte Feature verfügen) behauptet, er habe den Motor mittels Zündschlüssel oder Start-/Stopp-Button “von Hand stillgelegt“.
Definitiv bin ich der Letzte, der Einwände gegen die Hebung der Verkehrssicherheit vorbringt, vertrete jedoch die Auffassung, dass man, wenn man ein solches Vorhaben in die Tat umsetzt, selbiges weit besser vorzubereiten hat. Stattdessen müssen de Versäumnisse des Gesetzgebers wieder einmal auf unser aller Kosten durch deutsche Gerichte geklärt werden.
Bleibt mir, Ihnen zu raten, die Nutzung aller genannten Geräte im Fahrzeug so weit als möglich einzuschränken oder auf die (das Erlernen braucht zwar etwas Zeit, jedoch ist diese Alternative sicherer) in den meisten modernen Fahrzeugen vorhandene Sprachsteuerung auszuweichen. Demjenigen, der diesem Rat nicht folgen mag, drohen hohe Bußgelder, Punkte in Flensburg und sogar „temporäre Immobilität” – ich zitiere aus dem aktuellen Bußgeldkatalog:
• verbotswidrige Benutzung der genannten Geräte: 100 Euro, 1 Punkt in Flensburg
• verbotswidrige Benutzung der genannten Geräte mit Gefährdung: 150 Euro, 2 Punkte in Flensburg, 1 Monat Fahrverbot
• verbotswidrige Benutzung der genannten Geräte mit Sachbeschädigung: 200 Euro, 2 Punkte in Flensburg, 1 Monat Fahrverbot
Selbst die Benutzung des Handys beim Fahrradfahren wurde teurer. Aktuell schlägt die verbotswidrige Benutzung mit 55 Euro zu Buche.
Ich wünsche uns allen dennoch (oder gerade deshalb) allzeit gute, unfallfreie (und auch ansonsten unauffällige) Fahrt!
Autor: Michael Winter, Rechtsanwalt, Dozent, Lektor, Kornwestheim
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