Wer sich selbstständig machen will, muss ungleich mehr Leistung vollbringen, als es auch nur im weitesten Rahmen bei einem Arbeitnehmer legal wäre. Dies ist nötig, weil im Rahmen der Existenzgründung enorm viele Aufgaben gleichzeitig erledigt werden müssen. Jedoch steckt genau hinter dieser Notwendigkeit auch der Grund, warum so viele Existenzgründer sich allzu freiwillig in akute Burnoutgefahr begeben. Seine unternehmerische Leistungsfähigkeit auf einem Level zu halten, das die „Gesundheit“ des Start-ups garantiert, wird deshalb zur zentralen Pflicht eines jeden. Die dazu nötigen Schritte zeigt der folgende Artikel.
Was Burnout eigentlich ist
Den Begriff dürfte jeder schon einmal gehört haben, doch was sich genau hinter Burnout verbirgt, wissen die wenigsten. „Irgendwas mit zu viel Stress“ denken die meisten, vielleicht witzelt mancher noch „das Gegenteil von Boreout“. Beides stimmt zwar, kratzt aber nur die Oberfläche an.
Zwar ist es eine starke Vereinfachung, aber am leichtesten lässt sich Burnout folgendermaßen erklären: Man stelle sich einen Menschen wie ein Gefäß vor, das mit 100 % Leistungsfähigkeit gefüllt ist. Geht er einen Tag arbeiten, leert sich dieses Leistungsgefäß um ca. 20 %. Das macht aber nichts, denn der normale Feierabend, ausreichender Schlaf usw. füllen es wieder zu 18 % auf, die restlichen zwei Prozent, die sich in der Arbeitswoche zu zehn summieren, werden durch Freizeit an den Wochenenden aufgefangen. Es herrscht also ein ausgeglichenes Verhältnis aus Leistungserzeugung und -entnahme.
Nun ist es natürlich durchaus möglich, täglich mehr als 20 % zu entnehmen. Das ist bei Existenzgründern häufig der Fall. Bloß ist auch dies eine einfache Rechnung: Wo man über einen Zeitraum von mehreren Monaten tagtäglich mehr entnimmt, als man durch Auszeit einfüllt, leert sich das Leistungsgefäß zusehends. Dann zeigen sich erste Ausfallerscheinungen:
- Verdauungsstörungen und/oder ungewöhnlicher Appetitmangel
- Einschlaf-/Durchschlafprobleme
- Stimmungsschwankungen (insbesondere Gereiztheit)
- Unkonzentriertheit/Vergesslichkeit
Die Grenze ist bei 0 % erreicht. Echte Erschöpfung zwar, aber nichts, was sich nicht durch einen mehrwöchigen Totalurlaub kurieren ließe, dem eine Rückkehr auf normale Leistungsanforderungen folgt.
An diesem Punkt kommen Gründernaturen ins Spiel und damit der Burnout. Sie kurieren dieses Leistungsdefizit nicht völlig aus – und machen danach wieder wie gehabt mit Vollgas weiter. Wir können zwar über einen gewissen Zeitraum tiefer gehen, doch jedes „negative Prozent“ treibt einen tiefer in den Burnout. Selbst einfache Dinge fallen enorm schwer, man unterliegt chronischer Erschöpfung, Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, all die oben gelisteten Symptome verstärken sich, führen zu einer Abwärtsspirale. Und dann reicht einfaches Ausspannen nicht mehr, um die Tanks aufzufüllen. Ganz deutlich: Schon lange bevor Burnout eintritt, ist das Start-up in akuter Lebensgefahr, da der Existenzgründer auf dem besten Weg ist, sich so zu verbrennen, dass er Fehler macht, die der Firma das Genick brechen.
Und nach dem Burnout? Sind die Betroffenen gebrochene Menschen. Sie haben oft Monate an Therapien und Kuren hinter sich, nicht selten Herzinfarkte, Magengeschwüre. An die alten Leistungen werden sie nicht mehr anknüpfen können, nicht ansatzweise. Der Gründungsgedanke ist dahin, das Start-up auch. Und es kann jedem passieren. Deshalb ist es auch so wichtig, die Pflege seines Ichs ebenso ernst zu nehmen wie den Businessplan.
Kontinuität als Schlüssel
„Alles braucht seine Zeit“ sagt das Sprichwort. Und dieses gilt auch für den Tag eines Gründers. Je strukturierter man diesen gestaltet, desto effizienter unterdrückt man Burnout an der Wurzel. Denn wo zum Tag feste Arbeits- und Pausenzeiten gehören, bekommen auch die notwendigen Erholungsphasen ihren Raum. Man muss das Unternehmen nicht von 9-5 aufziehen. Aber nach maximal elf, zwölf Stunden täglich sollte Feierabend sein – echter Feierabend wohlgemerkt, ohne Gedanken an’s Business.
Dazu eine Bitte: Es gibt auch beim Gründen Tage, an denen weniger zu tun ist. Dann sollte man nicht krampfhaft nach Beschäftigung suchen (auch wenn es im Start-up immer etwas zu tun gibt), sondern es auch einfach mal gut sein lassen und nach Hause gehen.
Zwischendurch abschalten
Die ideale Mittagspause verbringt man fernab des Büros in einem Café, wo man smalltalkt, Zeitung liest – nur nicht über die Arbeit sinniert. Nicht immer ist das möglich. Als Alternative sollte man sich, am besten vor der Gründung, selbst in Entspannungstechniken schulen (externer Link). Das kann Yoga sein, autogenes Training, Qi-Gong – alles ähnlich effektiv und vor allem in wenige Minuten andauernden „Häppchen“ notfalls am Schreibtisch durchzuführen. Und sobald mittags mal wieder keine Zeit bleibt, schaltet man für einige Minuten den PC in den Schlafmodus, das Telefon stumm und macht seine Übungen.
Partner und Freunde
Wessen gesamte Sozialkontakte nur aus Angestellten und anderen Gründern bestehen, der hat, grob gesagt, keine Sozialkontakte. Funktionierende Freundschaften mit Menschen, die nicht im Gründer-Business stecken, sind enorm wichtig. Denn diese helfen, immer wieder den Kopf von der Thematik zu befreien und sich Stress von der Seele zu reden. Noch besser darin ist nur ein Lebenspartner. Doch um ihn im Gründerstress zu halten und nicht noch weitere Probleme durch Beziehungsstress heraufzubeschwören, ist es zentral, schon vorher offen zu kommunizieren: Zeiträume, Ist-Zustand, echte Unternehmens-Probleme. Dieser pragmatische Realismus gehört nicht nur zu den zentralen Bausteinen des Start-up-Erfolges sondern ist auch das wichtigste Kriterium, um zu einem verständnisvollen Partner nach Hause zu kommen, der weiß, woran er ist und einem dadurch liebevolle Unterstützung geben kann – statt weiterem Stress: „Nie hast Du Zeit für mich“.
Freizeitstress vermeiden
Seit einigen Jahren gibt es den Begriff Freizeitstress. Ein Sammelbegriff für alles, was einen auch in der eigentlich entspannenden Zeit abseits der Arbeit stresst. Das können Mannschaftstrainings sein, Vereinstermine oder soziale Verpflichtungen.
Hier kann man als Existenzgründer nur eines tun: rigoros aussortieren. Alles, was man nach Feierabend und an den Wochenenden tut, sollte maximal spontan geschehen, einem keinerlei weiteren Druck machen. Nur dann nämlich kann man guten Gewissens spontan entscheiden „Ich bleib‘ einfach mal auf der Couch“. Und genau das sollte man ruhig, zumindest während der ersten Gründungsmonate, häufig tun.
Delegieren
Die meisten Gründer dürften sich darin einig sein, dass sie nur sich, allerhöchstens noch dem Geschäftspartner, die Kompetenz zutrauen, alles optimal fürs Start-up zu erledigen. Verständlich zwar, mit dieser Denkweise arbeitet man sich allerdings auch direkt in den Burnout, denn man verzettelt seine Leistungsfähigkeit für Kleinigkeiten, statt für die echten „Chefsachen“.
Schon eine 400-Euro-Halbtagskraft für’s Büro kann eine enorme Hilfe sein, weil sie einem Standards abnimmt, die wirklich keine Chef-Aufmerksamkeit benötigen. Und wenn dafür das Budget zu knapp ist, finden sich mitunter auch (studentische) Praktikanten.
Urlaub
Die meisten Experten sind sich zwar einig, dass ein Start-up erst nach drei Jahren wirklich aus der Gefahrenzone heraus ist. Doch so lange keinen Urlaub zu machen, wäre im höchsten Maße töricht – selbst in den Weltkriegen kamen Soldaten einmal pro Jahr zu zwei, drei Wochen Verschnaufpause. Und diese sollte man sich, ganz gleich, was das eigene Gewissen sagt, auch schon am Ende des ersten Jahres nehmen.
Denn nach den ersten 365 Tagen besteht zumindest nicht mehr alltäglich die Gefahr, dass das Start-up eine spontane Katastrophe erlebt. Es ist vielleicht noch nicht aus schweren Gewässern heraus, aber man kann das Ruder für einige Tage loslassen, ohne Schiffbruch zu erleiden. Wenn man eine solche Auszeit richtig vorbereitet, übersteht das Unternehmen sie ohne Probleme – und man selbst kann wirklich die Akkus vollständig aufladen. Und dazu gehört auch die Maßgabe, nicht selbst im Unternehmen allabendlich anzurufen, sondern nur für Notfälle erreichbar zu sein: Keine Nachrichten sind gute Nachrichten.
Schlaf
Der letzte Punkt in diesem Reigen ist Schlaf. Das ist nicht nur sinnlos verbrachte Bett-Zeit. Schlaf ist für unzählige Hirnfunktionen notwendig (externer Link), die alle direkt mit der geistigen Leistungsfähigkeit verknüpft sind. Es müssen keine zehn Stunden sein, manchem Gründer reichen auch sieben. Doch diese Stunden sollten qualitativ so hochwertig wie möglich sein:
- Dunkles, leises, kühles Schlafzimmer
- Täglich gleiche Einschlaf- und Aufwachzeiten
- Schlafzimmer nur für’s Schlafen verwenden, nicht „Bett-Fernsehen/Surfing“
- Vor dem Schlafen (> 2 h) keine schweren Mahlzeiten mehr konsumieren
Damit schafft man schon den dringend notwendigen Leistungsboost. Und vielleicht sollte man, wenn das Start-up seine ersten Gewinne abwirft, auch als Eigenbelohnung keine Schweizer Armbanduhr, einen XXL-TV oder ein Mountainbike kaufen, sondern in ein großes, bequemes, dem Körpergewicht angepasstes, urgemütliches Bett und damit direkt in sein Unternehmen investieren.
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