Im Juni 2016 lehnte das Landessozialgericht Hamburg die Klage einer Frau auf Genehmigung vom Existenzgründungszuschuss nach über vier Jahren des Gerichtsprozesses ab. Die Frau hatte ihr Vorhaben, sich selbstständig zu machen, bereits im Januar 2012 verwirklicht.
Gründungszuschuss als Ermessensleistung der Arbeitsmarktförderung
Nach Ablehnung des Antrags auf den Gründungszuschuss für eine Selbstständigkeit als Marketingberaterin legte die Klägerin am 26. Januar 2012 gerichtlichen Widerspruch ein.
Die beklagte Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit hatte den Antrag mit Hinweis auf den Vermittlungsvorrang abgelehnt. Nach diesem sei der Existenzgründungszuschuss eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsmarktförderung und dürfe nur dann gewährt werden, wenn eine Selbstständigkeit die einzige Möglichkeit darstelle, den Antragssteller dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Auf Grund der guten beruflichen Qualifikationen der Klägerin würde eine solche Notwendigkeit nicht bestehen. Somit müsse den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durch eine sorgfältige Abwägung des Förderaufwands und der Erfolgschancen von Seiten der Agentur für Arbeit entsprochen werden. Da die Klägerin innerhalb einer kurzen zeitlichen Dauer vermittelbar sei, könne der Gründungszuschuss nicht gewährt werden.
Laut der Klägerin habe die Beklagte mit dieser Entscheidung einen Ermessensmissbrauch begangen. So würden Personen mit guten Qualifikationen dieser Entscheidung zufolge von vornherein von dem Gründungszuschuss ausgeschlossen werden, da diese leicht vermittelbar seien. Die Klägerin habe sich bereits bei sechs Unternehmen erfolglos beworben. Daher strebe sie eine Existenzgründung an, nachdem sie ihr letztes Beschäftigungsverhältnis krankheitsbedingt beenden musste. Im Oktober 2011 habe ein Arbeitsvermittler sie in ihrem Vorhaben bestärkt und ihr damit eine Bewilligung des Antrags auf den Existenzgründungszuschuss in Aussicht gestellt.
Sparsamer Einsatz vom Existenzgründungszuschuss als öffentliches Interesse
Auf Grundlage einer Stellungnahme der Arbeitsvermittlung, welche allein 45 passende Stellenangebote innerhalb der Jobbörse der Arbeitsagentur aufzeigt, wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Klägerin habe während ihrer Arbeitslosigkeit keine Bewerbungsaktivitäten unternommen, obwohl entsprechende freie Stellen in ihrer Region ausgeschrieben waren.
Der Hinweis auf einen krankheitsbedingten Berufsausfall würde des Weiteren keine Begünstigung der Entscheidung hinsichtlich des Gründungszuschusses darstellen, da eine Selbstständigkeit mit großen Belastungen verbunden sei. Bei einer Bewilligung der Förderung würde hier nicht dem öffentlichen Interesse des sparsamen Einsatzes begrenzter Fördermittel entsprochen werden.
Existenzgründungszuschuss nur bei unmöglicher Vermittlung
Im Rahmen einer erneuten Klage im April 2012 bezeichnete die Klägerin die Ablehnung ihres Antrags erneut als ermessensfehlerhaft sowie als budgetgesteuerte Willkürentscheidung. Zum brachte die Klägerin das Argument hervor, dass sie an nur einem Tag arbeitslos gewesen sei, an welchem sie keine Bewerbungsaktivität unternommen hätte, weil er auf einen gesetzlichen Feiertag fiel. Zum anderen sei ein psychisch kranker Arbeitnehmer wohl kaum innerhalb kürzester Zeit vermittelbar. Ihr Gesundheitszustand sei darüber hinaus zu unbestimmt, um Ermessensentscheidungen dieser Tragweite zu treffen. Demnach hätte in ihrem Fall eine Ermessensreduzierung auf Null stattfinden müssen, da eine Selbstständigkeit die einzige Möglichkeit darstellte, sie trotz psychischer Erkrankung dauerhaft in den Arbeitsmarkt wiedereinzugliedern.
In dem Urteil vom 1. September 2015 wies das Sozialgericht die Klage ab. Laut diesem habe die Beklagte das Ermessen korrekt ausgeübt, da die Klägerin in Kürze in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelbar sei und somit der Vermittlungsvorrang greife. Ein Gründungszuschuss könne der Klägerin nur dann zugesprochen werden, wenn dieser für ihre dauerhafte Eingliederung notwendig sei.
Die erfolglosen Bewerbungen der Klägerin führten des Weiteren zu keiner günstigen Bewertung, da keine Bewerbungsaktivität seitens der Klägerin zu erkennen sei, welche nach dem 16. Oktober 2011 stattfand.
Berufung: Keine Aussicht auf Existenzgründungszuschuss
Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung des Senats am 29. Juni 2016 wurde die Berufung der Klägerin vom 24. November 2015 als unbegründet abgetan. Die Klägerin habe weder das Recht auf einen Existenzgründungszuschuss noch könne nach einer Neubescheidung ihres Antrags verlangt werden. Die Klage wäre auf Grundlage des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen rechtmäßig abgewiesen worden. Der Fall der Klägerin würde keine Ermessensreduzierung erfordern.
Darüber hinaus würde ein Existenzgründungszuschuss das Ziel verfolgen, Arbeitslosen zur Erwerbstätigkeit zu verhelfen. Da die Klägerin sich allerdings am 1. Januar 2012 arbeitslos meldete und bereits am 2. Januar 2012 ihre selbstständige Tätigkeit aufnahm, sei diese nicht von der Solidargemeinschaft zu subventionieren.
Weitere Informationen: Urteil, Landessozialgericht Hamburg (externer Link)
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